„Wer nicht glaubt, kann nicht denken“

Ist Martin Heideggers Seins-Lehre eine Religion ohne Gott?

Podiumsgespräch zu den Schwarzen Heften

6. Oktober 2015 um 19:30 Uhr in der Rainhof-Scheune in Kirchzarten-Burg mit

Rüdiger Safranski
Rüdiger Safranski
Peter Trawny
Peter Trawny
Silvio Vietta
Silvio Vietta

 

 

 

 

 

 

 


Eintritt: 12 Euro, Studierende: 6 Euro | Kartenvorbestellung unter 07661 / 9880 921 oder 0761 / 1373 0998
Eine gemeinsame Veranstaltung des Instituts für soziale Gegenwartsfragen e.V. und des Buchladens in der Rainhof-Scheune nach einer Idee und dem Konzept von Jens Bodemer (c)

Flyer der Veranstaltung:
Folder Heidegger

Hinter Heideggers „Glaubensbekenntnis“ steht wohl die härteste und fundierteste Rationalismuskritik, die die abendländische Philosophie je gesehen hat und die er am Cartesianismus festmacht. Nach Silvio Vietta reicht diese jedoch in Wahrheit bis zu den Pythagoreern, auch wenn Heidegger das in seiner Hellenophilie nicht sehen wollte. Der cartesische Rationalismus kann dem Denken im Heideggerschen Sinn also nur störend dazwischen kommen.

Die antisemitischen Stellen in Heideggers Schwarzen Heften brachten die feuilletonistischen Gemüter so sehr in Wallung, dass sie seine gesamte Philosophie auf diesen Antisemitismus reduzieren wollten. Verbirgt sich hinter Heideggers Antisemitismus gar eine Dekonstruktion des Monotheismus als „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“? Zur Diskussion stand die Frage nach dem seinsgeschichtlich harten Kern seines Antisemitismus, der von den einen (etwa Trawny I des „Mythos der jüdischen Weltverschwörung“) nachgewiesen werden wollte, von den anderen (etwa Vietta) vehement bestritten wurde. Argumente lieferten alle, doch haben jene mit der Wahrheitsauffassung Martin Heideggers nichts zu tun, die einem Wechselspiel von Offenheit und Verborgenheit unterliegt. Das Subjekt kann diese Wahrheit des Seins weder organisieren noch kontrollieren. „Sie geschieht außerhalb von Aussage, Sprechakt und Argument“ (Trawny II der „Irrnisfuge“). Und entzieht sich eben jeglichem Einfluss eines Subjekts, was ja den Skandal seines Denkens bis heute ausmacht.

Kommt dieses Wechselspiel von Ent-bergen und Ver-bergen (a-letheia) einer religiösen Offenbarung gleich? Sie ereignet sich weder durch Spekulation noch Empirie, auch nicht durch mathesis im Sinne einer höheren Erkenntnis, sondern am ehesten durch gnosis soterias, eines geheimen Wissens von einem heiligen Weg zur Erkenntnis. Beinah möchte man Heidegger – vielleicht als vorerst letzten Pneumatiker im weltgeschichtlichen Ausmaß – über den Zugang zum Sein befragen, wenn er doch der Moderne und allen neuzeitlichen Versuchen, dem Seienden mit theoretischer Neugierde auf die Schliche zu kommen, den Stempel der Seinsverlassenheit aufprägt.

Rüdiger Safranski hat in den Schwarzen Heften gnostische Exerzitien entdeckt, die zwischen „Begriffsdelirium und Rosenkranzgebet“ angetreten seien, „um autosuggestive Fühlung mit dem Seyn zu halten“. Ist Heidegger der Prophet, der Priester oder der Apostel dieser verstockten Gnosis-Replik? Ist er gar der Märtyrer als Schicksal seiner eigenen Seyns-Verirrung? Gibt es eine religiöse Dimension in Heideggers Verabsolutierung des Seins nach dem Tod Gottes? Oder anders: Ist Heideggers Fundamentalontologie eine Religion ohne Gott?

Diesen Fragen versuchen der Heidegger-Werk-Biograph Rüdiger Safranski, der Schwarze-Hefte-Herausgeber und Philosoph Peter Trawny und der Literaturwissenschaftler und Heidegger-Forscher Silvio Vietta auf den Grund zu gehen.

Die Aufzeichnung:

 

Literatur:

Jens Bodemer, Von Wegen – Ein Erklärungsversuch zu Heideggers antisemitischen Entgleisungen, UNIversalis – Freiburger Universitätszeitung, Sommersemester 2014

ders., „Richtigkeiten, denen längst die Wahrheit fehlt“ – Silvio Viettas andere Sicht auf die Schwarzen Hefte, UNIversalis – Freiburger Universitätszeitung, Sommersemester 2015

ders., Interview mit Silvio Vietta, KulturJoker Ausg. 10/2015 S. 1 /

Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland, Heidegger und seine Zeit, Hanser, München 1994 / Fischer, Frankfurt/M. 1997

Religion ohne Gott, SZ-Interview mit Rüdiger Safranski vom 25.03.2015, S. 11 / von Michael Stallknecht

Peter Trawny, Heidegger und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, Klostermann, Frankfurt/M. 2014

ders., Irrnisfuge, Heideggers An-archie, Matthes & Seitz, Berlin 2015

Silvio Vietta, „Etwas rast um den Erdball…“, Martin Heidegger: Ambivalente Existenz und Globalisierungskritik, W. Fink, München 2015